Feuilleton

Habeck und die Medien

Fossile Diskurse

Wie aus der Debatte um die richtige Heiztechnik ein erbitterter Kulturkampf wurde. Der Streit um das neue Gebäudeenergiegesetz zeigt auch die Defizite medialer Mechanismen, die angesichts der Probleme fast bizarr wirken.
Von Harald Staun
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf einem der seltenen Fotos ohne „Heiz-Hammer“ dpa

Vielleicht fangen wir ausnahmsweise mal mit den guten Nachrichten an: In Deutschland fehlen nach Einschätzung des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima zurzeit rund 60.000 Heizungsinstallateure. Wenn Sie also zum Beispiel gerade Ihren Schulabschluss in der Tasche haben und einen Job suchen, der angesichts sonst doch so ungewisser Zukunftsaussichten materielle Sicherheit garantiert, dürfte die Wette auf die Heizungsbranche nicht allzu riskant sein.

Allein im kommenden Jahr müssen in Deutschland vier Millionen Heizungen ausgetauscht werden, weil sie dann 30 Jahre alt werden, das ist schon lange Pflicht. Auch das trifft sich ganz gut, weil man bei der Gelegenheit gleich ein wenig die Welt retten kann, indem man die alten CO2-Schleudern durch umweltfreundliche Geräte ersetzt. Und noch ein glücklicher Umstand: Anlagen, mit denen man energieeffizient Wärme erzeugen kann, funktionieren schon ziemlich gut. Es sind wahre Zaubermaschinen, die ganze Städte mit kostenloser Erdwärme heizen können, aus einem Kilowatt Strom machen sie vier Kilowatt Heizwärme. Es gibt sie sogar von deutschen Herstellern! Selbst wenn Sie also kein Interesse an einem Job als Handwerker haben, sondern vielleicht nur jemand sind, der es ab und zu gerne warm hat, lohnt sich so eine Wärmepumpe. Fast ganz Europa ist zurzeit verrückt nach den Dingern, außer den Briten und den Deutschen. Der Markt boomt. Und wenn Sie jemand sind, der Öko-Trends erst mitmacht, wenn sie sich in China durchgesetzt haben: Die Volksrepublik ist gerade dabei, Weltmarktführer zu werden.

Das Beste aber, neben dem technischen, ist ein politisches Wunder: Die Regierung plant eine Gesetzesänderung, die den Einbau umweltfreundlicher Geräte fördert, vielleicht haben Sie schon davon gehört. Weil sie die Umstellung großzügig subventioniert, amortisieren sich die Kosten innerhalb weniger Jahre. Es gibt, wie immer bei solchen Neuregelungen, viele Probleme im Detail, aber dass die Politik diese gewaltige Transformation nun endlich angeht, dass sie ein Bewusstsein hat für die Notwendigkeit einer „Schubumkehr“, wie es Wirtschaftsminister Robert Habeck nennt, ist fast schon eine Sensation. Schließlich wurden die deutschen Spitzenpolitiker jahrzehntelang in einem politischen System sozialisiert, in dem sie zwischen Koalitionsfindung und Wahlkampf kaum dazu kommen, unbeliebte Entscheidungen zu treffen.

Die Freiheit, sich falsch entscheiden zu dürfen
Wobei: Wer sollte schon etwas gegen effiziente Gebäudetechnik haben? Man fragt sich, warum es überhaupt ein Gesetz braucht, damit sich Menschen, die im Jahr 2023 eine neue Heizung einbauen, für die sinnvollste Variante entscheiden. Doch offenbar muss die Freiheit, sich falsch entscheiden zu dürfen, selbst in völlig profanen Bereichen durch eine trotzige Praxis verteidigt werden. Statt von den Vorteilen der Erneuerung hört man daher überall nur von Verboten. Die Wärmepumpe ist zur Chiffre einer „woken“ Zwangsideologie geworden. Man würde sich nicht wundern, wenn diese Phobie bald die symbolische Ebene verlässt und entsprechende Verschwörungstheorien über manipulative Substanzen kursieren, die aus dem Erdinneren in deutsche Hausbesitzerhirne geleitet werden sollen. Dabei könnte die Bruderschaft der chronisch Bevormundeten mithilfe einer Wärmepumpe und ein paar Solarzellen sogar ihre eigene energieautonome Gartenzaunrepublik erklären.

Statt einer Debatte um eine vernünftige Klimapolitik erleben wir einen Kulturkampf, der angesichts der klaren Mehrheiten, die sich in Umfragen immer wieder für den Ausstieg aus den fossilen Energien aussprechen, fast schon selbstzerstörerisch wirkt. Im Prinzip sind wir auch für Klimaschutz, scheinen manche zu sagen – außer die Regierung ist auch dafür. Viele scheinen lieber zu ertrinken, als in ein regenbogenfarbenes Rettungsboot zu steigen.

Woher aber kommt dieser Widerstand, woher die Aggressivität, mit der theoretisch transformationswillige Bürger rebellieren, wenn sie, in diesem Fall als Hausbesitzer, die Chance bekommen, an der Lösung der Probleme mitzuwirken? Ist es nur eine Variante des berühmten „NIMBY“-Prinzips, das man in diesem Fall als Abkürzung von „not in my basement“ lesen müsste: Klimaschutz, ja gerne, aber nicht in meinem Keller? Gibt es tatsächlich „eine emotionale Verbindung der Menschen zu brennbaren Energieträgern“, eine archaische Liebe zum Feuer, die zur „Conditio humana“ gehört und es uns so schwer macht, auf Verbrennungsenergie zu verzichten, wie die Umwelthistorikerin Melanie Arndt im „Spiegel“ behauptet? Die Autoren der Titelgeschichte über Wirtschaftsminister Robert Habeck und seinen „grünen Übereifer“ scheinen das für plausibel zu halten. „Die Wärmepumpe im Vorgarten“, schreiben sie, „bleibt dagegen fremd und abstrakt. Sie entzieht der Umgebung Wärme, funktioniert ähnlich wie ein umgekehrter Kühlschrank, da kommt keine Gemütlichkeit auf.“

Komplizierte Bebilderung
Oder sind es doch solche Texte, die die Menschen verunsichern? Seit Wochen betreiben die Boulevardmedien eine Kampagne gegen Habeck und die Gesetzesreform, der sich längst auch andere Medien angeschlossen haben. Die „Bild“-Zeitung hat mit ihrer Parole vom „Heiz-Hammer“, den sie täglich versucht im Blatt unterzubringen, einen Schlachtruf geschaffen, der es als stehender Begriff auch schon in andere Zeitungen geschafft hat, wie wirr die Metapher auch ist – war „der Hammer“ nicht einmal eine positiv besetze Trope? Aber auch die, die ihre Kritik ein bisschen eleganter formulieren, behandeln das Thema oft mit journalistischen Reflexen, die angesichts der tatsächlichen Herausforderungen selbst wie Rudimente einer schrottreifen Technologie wirken: Personalisierung und Performance-Kritik, Koalitionsstreit-Ticker und Insider-Tweets vom parteipolitischen Hickhack, Reportagen über problematische Einzelfallschicksale – das sind die dürftigen Genres eines Politjournalismus, dessen chronische Defizite nun fast bizarr wirken. Sie erscheinen, wie es die Kommunikationswissenschaftlerin Samira El Ouassil in einem Essay auf der Website „Übermedien“ beschrieb, wie die „Verschiebung des ökologischen Diskurses hin zu einer Skandalisierung zäher operationeller Fragen, die so oder so gelöst werden müssen“. Das „Spiegel“-Cover, das Habeck mittels einer Karikatur als überforderten Heizungsmonteur darstellte, der mit Rohrzange – und ja, tatsächlich, mit einem Hammer – eine alte Gastherme abbaut, kam ihr vor wie „die Bebilderung eines monatelangen Diskurses, bei dem über die Farbe des Feuerlöschers gestritten wird, während das Haus bereits brennt“.

Nicht alle, die an diesem Diskurs beteiligt sind, zündeln bei diesem Brand so fleißig mit wie „Bild“-Zeitung oder der Newsletterschreiber Gabor Steingart, der täglich neue Listen von Halbwahrheiten raushaut, „Die sieben Irrtümer des Robert Habeck“, die „sechs Zumutungen, die den Minister und die Wirtschaft (. . .) aus dem Takt gebracht haben“, „fünf Fakten, die Habecks Leuchtkraft schwächen“. Auch andere Medien schenken dem Streit viel mehr Aufmerksamkeit als der kompetenten Aufklärung, als könnte man das politische Kalkül dahinter nicht deutlich erkennen. Der Preis für die mediale Präsenz von Klimaschutzthemen ist offenbar, dass jede konstruktive Berichterstattung in den Routinen eines Nachrichtenjournalismus aufgerieben wird, der Aktualität und Nähe auch in einem Bereich für die Leitwährung hält, in dem Perspektive und Kontext viel relevanter wären. Statt über die Zukunft redet das Land über die Gegenwart in ihrer kurzlebigsten, zur Tickermeldung reduzierten Form.

Statt all die Falschinformationen zu berichtigen, die mittlerweile kursieren, laden Talkshows zur Fortsetzung der Diskussion über den „Ampelstreit“ oder die „Chaoswende“ ein. Zeitungen erklären, wie es zum „ganz großen Heizungszoff“ („Süddeutsche Zeitung“) kommen konnte. Bis endlich die Bevölkerung tatsächlich so „verunsichert“ ist, wie es die Boulevardkampagne immer behauptete. Auch der Bürger, der sich „berechtigte Sorgen“ macht, gehört zu den Kasperlpuppen, die bei dem Stück unbedingt aus der Kiste geholt werden müssen. Dass sie sich Union, Linke und FDP gerade gegenseitig aus der Hand reißen, ist die einzige originelle Volte. Nicht dass soziale Gerechtigkeit im Zusammenhang mit der Transformation der Energieversorgung kein Thema wäre; aber wenn einem wirklich etwas an ihr liegt, sollte man vielleicht nicht beim Hausbesitzer mit der Solidarität beginnen.

Kaltherzig und boshaft
Ebenso ermüdend ist das Spiel, die Debatte auf die handelnden Figuren herunterzubrechen, in diesem Fall auf Robert Habeck. Der „Absturz“ des „grünen Superstars“ wird, ähnlich wie die Koalitionskrise, so lange heraufbeschworen, bis er sich in Umfragen ablesen und damit als objektiver Fakt behaupten lässt. Wenn aber sogar die eigenen Sympathisanten schlechte Haltungsnoten verteilen, wie es die Kolumnistin Jagoda Marinić vor Kurzem tat, dann ist das kein Zeichen ideologischer Unbestechlichkeit, sondern ein fragwürdiger Fokus. Marinić hatte in der „Süddeutschen Zeitung“ die Grünen dafür kritisiert, „die Emotionen vieler Menschen“ zu ignorieren, und Habecks „emotionale Kurzsichtigkeit“ dafür verantwortlich gemacht, dass er nun als jener Minister dastehe, „der Leuten die alte Heizung aus dem Haus reißen lassen will“.

Natürlich kann und soll – bei allem gesellschaftlichen Konsens – eine politische Großaufgabe wie die Energiewende nicht ohne Diskussionen ablaufen. Aber muss die sich wirklich in der Erregung über parteipolitische Winkelzüge erschöpfen? In einer sich im Kreis drehenden Stilkritik der Kommunikationskultur des Ministers? Muss man Ängste und Chaos inszenieren, wo es genug konkrete Differenzen auszuhandeln gäbe?

Zwei Drittel der Weltbevölkerung sehen die Klimakrise als „globalen Notfall“, ebenso viele sind für den Klimaschutz sogar zu persönlichen Einschränkungen bereit. Eine große Mehrheit hat die Notwendigkeit einer Transformation begriffen. Deren mediale Abbildung aber scheint in den Mustern und Konventionen eines auslaufenden Diskurses stecken zu bleiben, wie ein KI-System, das in den immer gleichen alten Gewissheiten gefangen ist. Das Bedürfnis, ihnen zu entkommen, ist keine Ideologie. Sondern eine Frage der zeitgemäßen Technik.

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